40 Jahre Frauenrechtskonvention. Der Beitrag des Bahai-Frauen-Forums
DEUTSCHLANDWEIT - Der 40. Jahrestag der Verabschiedung der UN-Frauenrechtskonvention bietet Anlass, den Beitrag der Bahá'í-Gemeinde in Deutschland zum Fortschritt der Frauen zu beleuchten und dazu eine wichtige Inspirationsfigur aus der frühen Geschichte ihres Glaubens in den Blick zu nehmen: Táhirih.
Am 18.12.1979 verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen die sog. Frauenrechtskonvention (CEDAW), das bis heute wichtigste Instrument zur Durchsetzung der Menschenrechte für Frauen. Denn sie verpflichtet die Vertragsstaaten zur Herstellung einer faktischen Chancengleichheit in der gesellschaftlichen Realität und zur Beseitigung der Diskriminierung von Frauen. Bisher haben 189 Staaten die Frauenrechtskonvention ratifiziert. Einige von ihnen jedoch mit Vorbehalten. In Deutschland ist das Übereinkommen seit seiner Umsetzung im Jahre 1985 geltendes Recht. Vor 25 Jahren wurde dann das Gleichheitsrecht des deutschen Grundgesetzes um einen wichtigen Satz ergänzt: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin."
Trotz der zahllosen Bemühungen, die systematischen Hindernisse abzubauen, die Frauen von einer gleichberechtigten Teilhabe in allen Lebensbereichen abhalten, wurde bis heute in keinem Land der Welt die tatsächliche Gleichstellung für Frauen und Mädchen erreicht. Frauen erhalten geringeren Lohn für vergleichbare Arbeit, haben weniger Wahlmöglichkeiten und sind vielfältigen Formen von Gewalt ausgesetzt. Umso wichtiger ist es, dass Frauen und Männer, sowie gesellschaftliche Institutionen auf der ganzen Welt weiterhin für diejenigen eintreten, die viel zu lange ungehört blieben, stigmatisiert und unterdrückt wurden.
Bahá'í-Frauen-Forum: Ins Gespräch kommen
Das Bahá'í-Frauen-Forum e.V. (BFF) wurde 1996 gegründet, um die Bahá'í-Gemeinde in Deutschland in dem Diskursfeld „Fortschritt der Frauen" zu vertreten. Mit dem Ziel, die Stellung der Frau in der Gesellschaft zu stärken, sodass sie sich an der Gestaltung einer globalen Gesellschaft aktiv beteiligen kann. Dazu bemüht sich das BFF auf der lokalen ebenso wie auf der nationalen Ebene, den öffentlichen Diskurs und das gesellschaftliche Leben durch die Bahá'í-Lehren zu inspirieren.
Dabei wird zunehmend erkennbar, dass die Beseitigung von Diskriminierung und Gewalt nicht allein auf der gesetzlichen und politischen Ebene durchgesetzt werden kann. Um die Bedingungen für ein respektvolles und gleichberechtigtes Miteinander zu schaffen, sind tiefgreifende Veränderungen in den Einstellungen der Menschen sowie in den gesellschaftlichen Strukturen erforderlich. Die Überzeugung, dass die Gleichwertigkeit der Geschlechter nicht nur ein hehres Ziel, sondern eine grundlegende Wahrheit des menschlichen Wesens ist, die es in die Tat umzusetzen gilt, kann Ausgangs- und Ankerpunkt dieser Veränderungen sein.
Gewalt, Vorurteile und Diskriminierung gehen alle an. Daher fördert das BFF einen offenen Diskurs sowie eine Reflexion von Haltungen und stereotypen Zuschreibungen. Eine intensive Zusammenarbeit aller beteiligten Akteur*innen des gesellschaftlichen und politischen Lebens ist notwendig, um eine gemeinsame Kultur des Respekts, der gegenseitigen Unterstützung und der Gleichberechtigung zu entwickeln. Die Bahá'í betrachten die Einheit der Menschheit als Basis für menschlichen Fortschritt. Die rechtliche und soziale Gleichstellung von Frau und Mann ist im Rahmen dieses Konzepts ein fundamentaler Grundsatz der Offenbarung Bahá'u'lláhs:
„Im Angesicht Gottes waren Frauen und Männer von jeher gleich und werden es immer sein."
BFF-Jahrestagung: Inspiration durch Táhirih
Dass es sich dabei nicht um eine philosophische Lehre handelt, sondern seit der Frühgeschichte des Glaubens hingebungsvoll eingefordert wird, wurde bei der Jahrestagung des BFF am 30. November in Essen deutlich, die durch einen Vortrag von Dr. Ingeborg Franken-Boehninger über das Leben von Táhirih eröffnet wurde.
Táhirih war eine bedeutende persische Dichterin des 19. Jahrhunderts, die sich für die Gleichberechtigung der Frauen einsetzte und im Iran bis heute unter dem Namen Qurratu'l-' Ayn (Augentrost) bekannt ist. Schon als Kind war sie außergewöhnlich klug und wissbegierig. Ihr Vater ermöglichte ihr eine Schulbildung, wünschte aber, sie wäre ein Junge. Denn mit ihrem Verstand und ihrer Intelligenz könne sie der Familie Ehre bringen.
Als sie von dem Erscheinen eines neuen Propheten Gottes und seinen fortschrittlichen Lehren erfuhr, schloss sie sich diesem Báb, dem Vorläufer und Wegbereiter des Bahá'í-Glaubens, unmittelbar an. Obwohl sie dem Báb selbst nie begegnete, wurde sie eine seiner treusten Anhängerinnen und verkündete unerschrocken den jungen Glauben. Dafür reiste sie -- für eine Frau in der damaligen Zeit völlig unüblich -- allein durch Persien. 1848 legte sie bei einer Konferenz in Badasht in der Gegenwart zahlreicher Männer ihren Schleier ab, um mit den überkommenen Traditionen des schiitischen Islams zu brechen und ein neues Zeitalter einzuläuten. Bahá'u'lláh gab ihr während der Konferenz den Ehrentitel Táhirih, „die Reine".
Táhirih kann heute zu Recht als Wegbereiterin der orientalischen Frauenbewegung gesehen werden. Ihr Mut und ihre Standhaftigkeit inspirieren zahlreiche Frauen und Männer weltweit, nicht nur bei der Jahrestagung des BFF. Im August 1852 wurde Táhirih aufgrund ihres öffentlichen Wirkens für ihren Glauben und für den Fortschritt der Frauen hingerichtet. Dies sollen ihre letzten Worte gewesen sein:
„Sie können mich töten, sobald es ihnen beliebt, aber es wird ihnen nicht gelingen, die Befreiung der Frauen aufzuhalten."
Dass sie darin Recht behielt, zeigt sich anhand der für das Kalenderjahr 2020 weltweit geplanten Veranstaltungen zum Fortschritt der Frauen, ausgehend von der bei der Weltfrauenkonferenz 1995 gegründeten Pekinger Aktionsplattform. Indem sie strategische Ziele und Maßnahmen in vielfältigen Bereichen benennt, ist sie die wohl visionärste Agenda für die weltweite Stärkung der Rechte von Frauen und Mädchen. Die Vereinten Nationen überprüfen im März ihre Umsetzung bei der 64. Sitzung der UN-Frauenrechtskommission „Peking+25". Auch das BFF wird sich dann wieder auf nationaler und lokaler Ebene einbringen.