Auszubildende und Studierende machen sich Gedanken über den Beitrag ihres Berufsfeldes zum gesellschaftlichen Wandel

TAMBACH – Seit 2010 kommen jeden Sommer Auszubildende und Studierende zusammen um sich über gesellschaftlichen Wandel auszutauschen. Im Rahmen eines Programms, welches vom Institute for Studies in Global Prosperity (ISGP) weltweit ausgerichtet wird, setzen sich Studierende Ausbildungsbegleitend mit Konzepten, Fähigkeiten und Fertigkeiten in sowohl materiellen als auch geistigen Wandlungsprozessen auseinander und versuchen es über das Jahr hinweg auf ihren Fachbereich und in ihrem Umfeld anzuwenden. Im thüringischen Tambach-Dietharz treffen sich jährlich ca. 80 Teilnehmer aus dem deutsch-sprachigen Raum. So auch in diesem Jahr.

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Die diesjährige Gruppe an Teilnehmern der Seminare des Institutes for Studies in Global Prosperity in Tambach-Dietharz

"Viele Studenten kommen zu den Seminaren und verstehen, dass Jugendliche eine ganz besondere Rolle in Prozessen des gesellschaftlichen Wandels spielen", erklärt Saba Detweiler, die Teil des ISGP-Koordinierungsteams in Deutschland ist. "Sie wollen in der Lage sein, ein Leben im Dienst zu führen und zur Menschheit in allen Aspekten ihres Lebens beizutragen. Sie kommen mit einigen praktischen Fragen, die sie motivieren, mehr zu lernen, z.B. "Wie kann ich mein Studium und meinen zukünftigen Beruf zum Wohle der Menschheit einsetzen"?“, führt sie fort.

"Die Studenten stellen sehr ernsthafte und gewissenhafte Fragen über ihre Zukunft und wie man solche Entscheidungen ganzheitlich treffen kann", sagt Gabriella Brotto, ein weiteres Mitglied des ISGP Koordinierungsteams in Deutschland. "Eine Sache, die ich von den Teilnehmern gehört habe, die wirklich bei ihnen ankommt, ist das Verständnis, dass der Universitätsraum einen inneren Wert hat: Es ist ein Raum, in dem sie sowohl dienen als auch die Fähigkeit aufbauen können, zu dienen. Und dies geschieht durch das Wissen, das sie sich aneignen, oder durch die Möglichkeiten, die ihnen offen stehen, um mit ihren Kommilitonen und Professoren zu sprechen, oder durch die Erforschung, wie die Baha'i-Prinzipien in ihren Bereichen gelten".

"Die Seminare helfen ihnen, die Religion nicht nur in Bezug auf ihr persönliches Leben, sondern auch in Bezug auf den Aufbau der Zivilisation zu erforschen. Sie untersuchen, wie sich geistige Prinzipien auf die Themen beziehen, mit denen die Menschheit zu kämpfen hat, wie Klimawandel, Rassismus und wirtschaftliche Ungleichheit", fährt sie fort.

Die Studierenden werden auch dabei unterstützt, über oberflächliche oder vereinfachte Vorstellungen von Wandel hinaus zu denken. Gleichzeitig sollen die Seminare die Teilnehmer vor dem Zynismus bewahren, der sich einstellt, wenn junge Menschen die Hochschulbildung durchlaufen und in die Arbeitswelt eintreten - ein Zynismus, der aus der Ernüchterung darüber entsteht, ob ihre eigenen Beiträge etwas bewirken können und ganz allgemein, ob sich die Welt wirklich zum Besseren verändern kann.

Die in den vier Jahren der Seminare untersuchten Inhalte helfen ihnen, ihre Ausbildung nicht nur als Weg zu einem Job oder als Mittel zur Förderung einer individuellen Karriere zu sehen, sondern auch zu erkennen, wie ihre Studiengänge sehr wertvoll für ihre Fähigkeit sein können, zur positiven Entwicklung der Gesellschaft in Richtung Einheit, Gerechtigkeit und der Verwirklichung der Einheit der Menschheit beizutragen.

Im Laufe der vier Jahre erarbeiten die Teilnehmer*innen eine Reihe von Themen, wie z.B. das Verhältnis von Wissenschaft und Religion, in denen sie die Bedeutung der Entwicklung wissenschaftlicher Fähigkeiten betrachten. Sie lernen, gesellschaftliche Kräfte zu analysieren und zu überlegen, wie sie ihre Energien am effektivsten zum Wohle der Gesellschaft einsetzen können. Darüber hinaus haben sie auch die Möglichkeit zu erforschen, wie sich die geistige und materielle Dimension des Lebens gegenseitig verstärken, besonders an diesem wichtigen Punkt ihres Lebens, wenn sie ihren Beruf wählen und einen Weg für ihre Zukunft bestimmen.

„Es ist spannend zu sehen, dass die Kultur so tief in uns verwurzelt ist, ohne dass wir es überhaupt bemerken. Cool festzustellen, dass Kultur kein absoluter und unveränderlicher Teil unseres Lebens ist. Es ist unsere Pflicht, unsere Kultur zu analysieren und aktiv zur Entwicklung einer Kultur beizutragen, anstatt passive Beobachter zu sein“, beschreibt ein Teilnehmer der diesjährigen Seminare eine seiner Einsichten aus dem Material.

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Teilnehmer des ersten Jahres der insgesamt vier möglichen Seminarjahre

"Universitätsstudenten sehen sich während ihrer Studienzeit sehr schwierigen Herausforderungen gegenüber gestellt. Sie werden von so vielen Seiten darüber bombardiert, was der Sinn des Lebens ist, was Erfolg, was Glück, was ein gutes Leben ist und wie wichtig es ist, dass man kämpft, um dieses Leben für sich selbst als Individuum zu erreichen", reflektiert Mahyar Nicoubin, eine der Seminarleiter in Deutschland.

Frau Nicoubin diskutiert, wie derzeitige Bildung den Studenten oft kein Verständnis für die Komplexität der Gesellschaft vermittelt. "Viele Bildungsprogramme helfen den Schülern nicht, die Gesellschaft als etwas anderes als eine Sammlung von Individuen zu verstehen. Selbst die Idee der Institutionen ist nicht etwas, das oft eingehend untersucht wird. Es wird also nicht darauf geachtet, zu verstehen, was eine Institution ist oder wie Institutionen unserer Gesellschaft tatsächlich eine Struktur verleihen. Das schränkt unsere Fähigkeit ein, darüber nachzudenken, was es bedeutet, zur Verbesserung der Welt über die individuelle Ebene hinaus beizutragen."

Das ISGP Koordinationsteam blickt mit Spannung auf das restliche Jahr und sieht dem nächsten Seminar im August 2020 entgegen zu welchem die Teilnehmer wieder zusammen kommen um über ihre Erfahrungen gemeinsam zu reflektieren und mit neuen Impulsen durch das Material in ihrem Bestreben ihre eigenen Bildung und Ausbildung selbst in die Hand zu nehmen, weiter voranzukommen.