Bahá’í im Jemen zum Tode verurteilt. Lage der jemenitischen Bahá'í-Gemeinde eskaliert.
Berlin, 8. Januar 2018 – Am 2. Januar 2018 verhängte ein Sondergericht in Sanaa, Jemen, gegen den seit Dezember 2013 inhaftierten Bahá’í Hamed bin Haydara das Todesurteil mit ausschließlich religiöser Begründung. Dem Angeklagten wurde insbesondere Kontakt zum Bahá’í-Weltzentrum mit Sitz in Haifa, Israel, vorgeworfen. Der Richter Abdu Ismail Hassan Rajeh ordnete zugleich die Auflösung sämtlicher Bahá’í-Gremien an.
Die Schlussverhandlung fand nach einer vierjährigen Untersuchungshaft mit Folter und immer wieder verschleppten Gerichtsterminen statt, wobei der Angeklagte absichtlich an der Anwesenheit bei diesem Verhandlungstermin gehindert wurde. Der Richter ordnete eine öffentliche Hinrichtung an einem noch nicht bekannt gewordenen Termin sowie die Beschlagnahme seiner Besitztümer an. Der anwesende Verteidiger hat gegen das Urteil unverzüglich Berufung eingelegt.
Die Repressalien gegenüber der Bahá’í-Gemeinde im Nordjemen nehmen seit zwei Jahren stark zu. Nach der jüngsten Verhaftungswelle im April 2017 sind noch sieben Bahá’í an unbekannten Orten inhaftiert. Dieses Urteil bringt auch sie und die gesamte jemenitische Bahá’í-Gemeinde in akute Gefahr.
„Die in diesem Ausmaß unerwartete Eskalation der Unterdrückung der Bahá’í im Jemen – nach Wellen von Inhaftierungen in jüngster Zeit – und die gelieferten Begründungen zeigen unverkennbar die Handschrift der im Iran praktizierten Verfolgung der Bahá’í“ erklärt Ingo Hofmann, Sprecher der Bahá’í-Gemeinde in Deutschland. „Wir schließen uns dem Appell der Internationalen Bahá’í-Gemeinde an die Huthi-Führung an und fordern eine unverzügliche Aufhebung dieses Urteils sowie die Freilassung von Herrn Hamed bin Haydara und die weiteren derzeit noch inhaftierten Bahá‘í.“
Das unrechtmäßige Vorgehen und die Menschenrechtsverletzungen gegenüber den Bahá’í im Jemen wurden durch internationale Stellungnahmen verurteilt: durch den UN-Hochkommissar für Menschenrechte, den UN-Sonderbeauftragten für Religionsfreiheit und den UN-Menschenrechtsrat. Amnesty International verurteilte die Verhaftungswellen und das jüngste Todesurteil gegen Haydara.
Hintergrundinformationen:
Vorgeschichte Haydara: Im Dezember 2013 wurde Hamed (Kamal) bin Haydara von den Strafverfolgungsbehörden in Sanaa festgenommen und inhaftiert. Ihm wurden haltlos verschiedene Taten vorgeworfen, unter anderem Gefährdung der öffentlichen Ruhe durch Verbreitung des Bahá’í-Glaubens und Spionage für Israel. Während seiner Untersuchungshaft wurde er verschiedenen Formen von Folter ausgesetzt, darunter Schläge und Elektroschocks. Auch wurden ihm wiederholt notwendige medizinische Behandlungen verweigert. Dutzende Verhandlungstermine wurden verlegt, bis zuletzt Anfang August 2017 bekannt gemacht wurde, dass seine Vernehmung auf unbestimmte Zeit verschoben wird.
Inhaftierungen von Bahá’í im Jemen: Die Geschichte der jemenitischen Bahá’í-Gemeinde geht zurück auf die Anfänge des Bahá’í-Glaubens in der Mitte des 19. Jahrhunderts. In jüngster Zeit initiierte die jemenitische Bahá’í-Gemeinde (geschätzt auf einige Tausend Mitglieder) verschiedene soziale und kulturelle Hilfsprogramme zugunsten notleidender Bevölkerungsgruppen. Die Bahá’í entwickelten zunächst gute Beziehungen zu Behörden und gesellschaftlichen Gruppen, die sich jedoch seit 2016 in zunehmenden Druck auf die Bahá’í-Gemeinde wandelten. Eine erste Verhaftungswelle von Bahá’í – unter ihnen auch Stammesangehörige – ereignete sich im August 2016, eine weitere im April 2017.
Bahá‘í-Weltzentrum in Israel: Der Sitz des Bahá’í-Weltzentrums („Universales Haus der Gerechtigkeit“) in Haifa, Israel, ist auf den geschichtlichen Umstand der Verbannung des Religionsstifters, Bahá‘u’lláh, nach Akko bei Haifa im Jahre 1868 zurückzuführen – lange vor der Gründung des Staates Israel.
Zur Lage der Bahá’í im Iran: Eine systematische Politik der Unterdrückung und Entrechtung der Bahá’í wird von der Islamischen Republik Iran betrieben. In dem von Ayatollah Khamenei 1991 unterzeichneten und lange geheim gehaltenen sog. Golpeygani-Memorandum des Obersten Kulturrats wird eine Ausdehnung dieser Politik der systematischen Unterdrückung der Bahá’í auch auf das Ausland gefordert.