Der Blick auf Religionen als Unterstützer und Erbauer des Friedens
LINDAU – Das Friedenspotenzial von Religionen – um dieses näher zu betrachten, luden die vorrangig interreligiös aktiven Organisationen Religions for Peace und Ring for Peace zu einer viertägigen Konferenz in das bayrische Lindau am Bodensee ein.
Über 900 religiöse Honoratioren, Diplomaten, Regierungsvertreter und in der Friedensarbeit Engagierte waren der Einladung gefolgt, um sich über die verschiedenen Facetten gesellschaftlichen Wohlergehens auszutauschen und mögliche gemeinsame Handlungslinien zu entwickeln oder weiter zu verfolgen. Auch Vertreter der Bahá’i-Gemeinde in Deutschland waren geladen.
Im Zentrum der Gespräche kristallisierte sich ein Friedensverständnis heraus, dass über die bloße Abwesenheit von Krieg und Konflikt hinaus ging – Aspekte, wie die Wahrung der Schöpfung, die Überwindung globaler Ungerechtigkeiten, der Blick für ein plurales Miteinander und nicht nur Nebeneinander standen ebenso im Fokus, wie beispielsweise die Rolle von Frauen und jungen Menschen in Mediation oder Konfliktprävention. „Von ihrem eigenen Anspruch her müssten sich die Religionen zur energischen Mitarbeit an der Verwirklichung der Entwicklungsziele der Vereinten Nationen aufgerufen fühlen“, führte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in der Eröffnungsrede am 20. August aus. Die Rolle von Religion hierbei soll eine konstruktive sein, da sie in ihrem Wesenskern Menschen zusammenbringt und Kreise der Einheit schlägt. Ohne Zweifel ist in unserer heutigen globalen Welt der Zeitpunkt angebrochen über eine in Frieden lebende Weltgemeinschaft nachzudenken. „Wir Menschen werden uns immer mehr bewusst, wie vernetzt und interdependent wir sind. Das bedarf einer Veränderung in der Gesprächskultur, weg von einem „wir und ihr“, hin zur Anerkennung, dass die Menschheit wie ein Organismus ist, und der Schmerz in einer ihrer Gliedmaßen den ganzen Körper beeinträchtigt. Daher ist es wichtig durch den gemeinsamen Dialog Gemeinsinn und Eintracht zu kultivieren, welches selbstverständlich auch im Tun zum Ausdruck kommen muss.“, kommentierte Saba Khabirpour, Generalsekretärin des Nationalen Geistigen Rates der Bahá’i in Deutschland während der Eröffnung. Die diversen Tagungsformate boten die Möglichkeit zu eben diesem Austausch und Gespräch.
Dies wurde unter anderem durch eines der Themenschwerpunkte „Förderung des Gemeinwohls durch Positive Peace“ beleuchtet. Aus der Überzeugung heraus, dass Frieden mehr ist als nur die Abwesenheit von Krieg, ist es zur Wahrung des Gemeinwohls unerlässlich auch weitere Facetten des Wohlergehens einer globalen Gesellschaft in Betracht zu ziehen. Hier wurden vor allem, neben den bisherigen Errungenschaften der Menschheit, wie z.B. die Menschenrechte, oder gewisse Freiheitsrechte, auch notwendige Eigenschaften, Haltungen und Etablierung von Gewohnheiten benannt, die Bestehendes ergänzen müssten um einer vollen Entfaltung von Frieden gerecht zu werden. Hier können besonders Religionen einen bedeutungsvollen Beitrag leisten. „Tugenden rüsten Menschen für Gemeinschaft aus, und Gemeinschaft ist für Gesellschaften unerlässlich, um effektive Agenten ihrer eigenen Entwicklung zu sein. Wie Tugenden Rechte ergänzen können, zeigt sich im Verhältnis zwischen Tugend, Gesellschaft und Entwicklung“, beschreiben die Ausführungen von Religions for Peace diesen Punkt. Geistigen Eigenschaften in die Tat umzusetzen und damit Wirklichkeit werden so lassen, ist eines der Beiträge, die Einzelne, Institutionen und ganze Gesellschaften aus Religion als Erkenntnisquelle ziehen können.
In einem ganz anderen Teil der Welt, der Demokratischen Republik Kongo, finden ganz ähnliche, zunächst kleine Regungen des interreligiösen Dialoges statt. Der Bahá’í World News Service berichtet über eine Initiative, die kürzlich in Kinshasa ihren Anfang nahm mit einem informellen Treffen von Vertretern der christlichen, muslimischen und von Seiten der Bahá’i. Sie hatten den Wunsch nicht nur darüber zu sprechen, wie Religion zu konstruktivem gesellschaftlichen Wandel beitragen kann, sondern auch danach zu handeln. Hieraus sind mittlerweile diverse Handlungslinien entstanden, beispielsweise eine Tagung, die untersuchte, wie geistige Prinzipien und Konzepte einen Einfluss auf Bereiche der Gesellschaft haben, wie z.B. Wirtschaft, Rechtsprechung, Gesundheit, Staatsführung, die Medien und Künste.
Aus dieser Kooperation ist auch eine filmische Dokumentation entstanden, in welcher die beteiligten Akteure zu Wort kommen und das Wesen und die Art ihrer Zusammenarbeit beschreiben. Sie untersuchen unter anderem, wie nachhaltige Entwicklung zum Frieden beiträgt und wie Bildung ein Gefühl von Verantwortung und Engagement wecken kann. Außerdem erklärt Rachel Kakudji, Vertreterin des Büros für Außenbeziehungen der Bahá’i Gemeinde im Kongo, dass über diese spezifischen Initiativen hinaus die Entwicklung eines Prozesses stattgefunden hat, in dem Menschen aus unterschiedlichen Religionen zusammenarbeiten, durch Herausforderungen beraten und sich auf den Prozess des Handelns, der Reflexion und der Beratung verlassen, um systematische Fortschritte zu erzielen. "Um zu wachsen und sich zu entwickeln, muss die Welt Kraft aus der Einheit schöpfen", erklärte Alex Kabeya, Mitglied des Nationalen Geistigen Rates der Baha'i im Kongo. "Es ist ermutigend zu sehen, wie religiöse Führer und ihre Gläubigen in gutem Willen zusammenarbeiten, denn der Transformationsprozess spiegelt dann die Aufrichtigkeit wider, die notwendig ist, um zu einem nachhaltigen Frieden beizutragen." Dies ist nur ein stellvertretendes Beispiel für die Myriaden an weltweiten Bemühungen Frieden zu fördern. Bei der jetzigen Tagung in Lindau wurden weitere Beispiele vorgestellt. Eines von diesen war die interreligiöse Bemühung für die Erhaltung des Regenwaldes, Interfaith Rainforest Initiative (IRI). Gemeinsam mit Vertretern der Religionsgemeinschaften, indigenen Völkern und Regierungsvertretern Brasiliens hat man sich zu einem Bündnis zur weltweiten Erhaltung von Regenwäldern zusammengeschlossen – ein Spiegelbild der geteilten Verantwortung für den Planeten, der sich aus den diversen Quellen religiösen, indigenen, wissenschaftlichen und politischen Verständnisses speist.
Rundum sind die Veranstalter sehr zufrieden mit den Resultaten der Tagung: „Wir hoffen auch im kommenden Jahr Gastgeber sein zu können“, blickten der Vorsitzende, Prof. Dr. h.c. Wolfgang Schürer und Geschäftsführer Ulrich Schneider von der Stiftung Friedensdialog der Weltreligionen und Zivilgesellschaft in die Zukunft.