Enthüllt: Unheimlicher Plan der iranischen Behörden, Bahá’í zu überwachen und zu unterdrücken
Berlin, 11. März 2021 — Die Bahá'í-Gemeinde in Deutschland ist entsetzt über den Inhalt einer iranischen Verwaltungsvorschrift, die die örtlichen Behörden in der Stadt Sari in der nördlichen Provinz Mazandaran anweist, „strenge Kontrollen" über die Bahá'í in der Stadt durchzuführen, indem sie „ihre Aktivitäten überwachen" und Maßnahmen ergreifen, „Bahá'í-Schüler zu identifizieren", um sie „zum Islam zu führen". Das Schreiben wurde kürzlich von der League for the Defence of Human Rights in Iran (LDDHI) und der International Federation for Human Rights (FIDH) enthüllt.
„Diese Maßnahmen spiegeln die zunehmende Verfolgung von Anhängern des Bahá'í-Glaubens durch die iranische Regierung wider", so LDDHI-Präsident und FIDH-Ehrenpräsident Karim Lahidji. „Im Widerspruch zu den völkerrechtlichen Verpflichtungen des Iran betrachten die Behörden sie als Häretiker, verbieten ihre Religion und betrachten die Ausübung des Baha'i-Glaubens als staatsfeindlichen Akt."
Die Richtlinie vom 21. September 2020 enthält einen „detaillierten Plan", der sicherstellen soll, dass die Bahá'í-Gemeinde „strenger Kontrolle" unterliegt, einschließlich ihrer „öffentlichen und privaten Treffen" sowie „ihrer anderen Aktivitäten". Das Dokument wurde von der Kommission für Ethnien, Sekten und Religionen in Sari herausgegeben, die unter der Schirmherrschaft des Obersten Nationalen Sicherheitsrats des Iran arbeitet, einem Gremium, das vom iranischen Präsidenten geleitet wird und für Sicherheitsfragen zuständig ist.
Ein früheres Dokument, das 2016 von einer ähnlichen Kommission auf der Ebene der Provinz Mazandaran herausgegeben wurde, ordnete einen gezielten wirtschaftlichen Angriff auf die Bahá'í an, was zu massenhaften Schließungen von Bahá'í-Läden in der gesamten Provinz führte. Die Anordnung wurde von Ayatollah Ahmad Jannati als Vorsitzenden des Wächterrats -- dem obersten Verfassungsorgan des Iran -- genehmigt.
Jascha Noltenius, Beauftragter für Menschenrechtsfragen der Bahá'í-Gemeinde in Deutschland, erklärt:„Wir können mit einem hohen Maß an Sicherheit sagen, dass das jüngste Dokument zwar an ein örtliches Gremium gebunden ist, aber von nationalen Regierungsstellen auf höchster Ebene stammt und darauf hindeutet, dass ähnliche Sitzungen und Verwaltungsvorschriften über die Bahá'í im ganzen Iran folgen könnten."
Wolfgang Kaleck, der Generalsekretär des European Center for Constitutional and Human Rights, äußerte sich gegenüber der Deutschen Welle ebenfalls besorgt: „Dieses Dokument scheint jetzt ein Indiz zu sein, dass zumindest auf der Provinzebene sehr wohl massiv Vorgaben gemacht werden für die Exklusion der Bahai aus dem öffentlichen Leben."
Herr Noltenius fügt hinzu: „Diese Enthüllung erinnert auffällig an historische Beispiele, in denen Regierungen Minderheiten mit drakonischen Maßnahmen überwacht haben, bevor sie noch grauenvollere Maßnahmen ergriffen. Sie fügt sich ein in Jahrzehnte von Gesetzen und Verordnungen, die die Bahá'í aus jedem Bereich des öffentlichen Lebens ausgeschlossen haben. Durch dieses Dokument wird deutlich, dass die Regierung nun Maßnahmen umsetzt, die das Grundrecht der Bahá'í auf Glaubensfreiheit untergraben."
Das Bildungsministerium wurde angewiesen, „den Grad der Wachsamkeit und des Bewusstseins" bei Lehrern und Schulleitern zu erhöhen, „was ihren Umgang mit Bahá'í-Schülern angeht, um sie zum Islam zu bringen."
„Die Maßnahmen in Bezug auf die Kinder sind besonders schockierend", sagt Herr Noltenius. „In einem amtlichen Dokument eindeutige Pläne zur Änderung des Glaubens von Kindern zu beschreiben, ist eine empörende Verletzung der Menschenrechte. Dies zielt nicht nur auf die Religionsausübung ab, sondern greift in die innere Sphäre ein und ist gleichbedeutend mit religiösem Zwang."
Die Verordnung erging an die örtliche Polizei und die Provinzpolizei, den Leiter des Geheimdienstes von Sari, den Kommandeur der örtlichen paramilitärischen Basidsch-Truppe, den Leiter des Bildungswesens, der Abteilungen für Industrie, Bergbau und Handel und für Kulturerbe, Handwerk und Tourismus sowie an Vertreter von Schulen und Universitäten.
„Entgegen der ständigen Behauptungen der Regierung, dass die Bahá'í nicht wegen ihres Glaubens verfolgt werden, haben die iranischen Behörden mit diesem Dokument wieder einmal ihre wahren Absichten offenbart", sagt Herr Noltenius. „Die iranische Regierung muss diese neue Verwaltungsvorschrift unverzüglich widerrufen."
„Nach vier Jahrzehnten, in denen die Bahá'í durch Gesetze und Richtlinien, dazu gezwungen werden sollten, ihren Glauben zu widerrufen, ist es nun an der Zeit, dass der Iran seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen nachkommt und dem Gesuch der Bahá'í stattgibt: frei im Iran zu leben, ohne ihren Glauben verleugnen zu müssen."
Hintergrund
Die Bahá'í sind die größte nicht-muslimische religiöse Minderheit im Iran und werden seit 42 Jahren systematisch verfolgt, worüber die Vereinten Nationen ausführlich berichten. Mehr als 200 Bahá'í wurden nach der islamischen Revolution von 1979 hingerichtet und seit den 1980er Jahren wird ihnen höhere Bildung und Lebensunterhalt verweigert, sie werden in den Medien diffamiert, und sogar ihre Friedhöfe werden geschändet.
Die Verfolgung der Bahá'í im Iran ist ausführlich auf der Website Archives of Persecution of the Baha'is in Iran dokumentiert.
In der jüngsten Verordnung wurden ferner die Hochschulverwaltungen angewiesen, das Universitätsverbot für Bahá'í „aufrechtzuerhalten". Dies bezieht sich auf ein Memorandum aus dem Jahr 1991, das vom Obersten Führer Ayatollah Ali Khamenei unterzeichnet wurde und in dem gefordert wird, den „Fortschritt und die Entwicklung" der Bahá'í zu „blockieren", und in dem Maßnahmen zur Durchführung dieses Plans skizziert werden, einschließlich solcher, die sich auf Schulkinder beziehen und den Bahá'í den Zugang zu Universitäten und Stellen im öffentlichen Dienst verwehren. Die Verordnung ordnet auch an, „Kontrollen" über die geschäftlichen Aktivitäten der Baha'i auf dem örtlichen Basar durchzuführen.