Hausdurchsuchungen im Iran deuten auf eine besorgniserregende Zunahme der Menschenrechtsverletzungen gegen die Bahá’í hin
Berlin, 30. November 2020 — Mehr als einhundert Regierungsbeamte durchsuchten am 22. November 2020 die Geschäfte und Häuser von Dutzenden von Bahá’í vielerorts im Iran und forderten sie auf, ihre Eigentumsurkunden auszuhändigen. Die zeitgleichen Razzien fanden in mindestens sieben Städten im ganzen Land statt und folgten nur wenige Stunden auf einen 15-tägigen landesweiten Lockdown, der verhängt wurde, um Coronavirus-Infektionen im Land einzudämmen.
„Die koordinierten Razzien gegen so viele Bahá’í stellen eine schwere Verletzung der grundlegenden Menschenrechte der Bahá’í-Bürger dar, für die es außer religiösen Vorurteilen keine weiteren Gründe gibt. Besonders das Eindringen in diese Häuser, die Beschlagnahmung zahlreicher Gegenstände und die Forderung nach Eigentumsurkunden deuten möglicherweise darauf hin, dass die Behörden sich noch fokussierter und umfassender zur Beschlagnahmung von Eigentum der Bahá’í mobilisieren“, sagt Jascha Noltenius, Beauftragter für Menschenrechtsfragen der Bahá’í-Gemeinde in Deutschland.
Zu den mitgenommenen Gegenständen gehörten unter anderem Smartphones, Computer, Tablets und Bücher, einschließlich Bahá’í-Texten. Mehrere der durchsuchten Häuser gehörten Bahá’í, die von den Behörden bereits zuvor ins Visier genommen worden waren. Die Bahá’í wurden außerdem zum iranischen Bundeskriminalamt vorgeladen.
Die Razzien fanden in der Hauptstadt Teheran sowie in Karaj, Isfahan, Mashhad, Kerman, Shahin-Shahr und Baharestan statt. Zeugen berichteten, dass die Beamten bei ihrem Aufenthalt in den Häusern der Bahá’í alle behördlichen Gesundheitsbestimmungen ignorierten.
„Die Gesundheitskrise im Iran ist katastrophal“, sagt Herr Noltenius, „und dennoch hat die Regierung die Häuser gesetzestreuer Bürger ins Visier genommen, darunter auch solche mit kleinen Kindern, ältere Menschen und Vorerkrankte, und sie vielleicht dem Coronavirus ausgesetzt, während sie den psychologischen und physischen Druck auf diese unschuldigen Personen noch verschärft hat.“
„Die Bahá’í werden terrorisiert, mit der Beschlagnahmung von Vermögenswerten bedroht und wie Kriminelle behandelt“, fügt Jascha Noltenius hinzu, „aber wer hat hier die Straftat begangen? Die unschuldigen Bahá’í oder die Behörden, die ihre Häuser ohne rechtliche Grundlage durchsucht haben?“
Diese Entwicklungen sind die jüngsten in einem Muster von Eigentumsbeschlagnahmungen seit der Islamischen Revolution im Iran im Jahr 1979. Seitdem wurde eine große Zahl von Privat- und Geschäftsgrundstücken der Bahá’í willkürlich beschlagnahmt, auf denen sich zum Teil Wohnhäuser und Bauernhöfe befanden.
„Die iranische Regierung setzt die Beschlagnahmung von Eigentum seit langem zur Verarmung der Bahá’í-Gemeinde ein“, fügt Noltenius hinzu. „Iraner mit gutem Gewissen sind sich jedoch bewusst, dass die Bahá’í lediglich den Wunsch haben, zum Fortschritt des Iran beizutragen, und dass sie unschuldig sind. Das wahre Verbrechen besteht darin, dass die iranische Regierung ihre Hand an den hart verdienten Lebensunterhalt und das Eigentum ihrer Bahá’í-Bürger legt“.
Hintergrund
- Die Bahá’í sind die größte nicht-muslimische religiöse Minderheit im Iran und werden seit der Islamischen Revolution von 1979 systematisch von der Regierung verfolgt.
- In den Jahren nach der Islamischen Revolution wurden mehr als 200 Bahá’í hingerichtet.
- In einem 1991 vom Obersten Führer des Iran, Ayatollah Ali Khamenei, unterzeichneten Regierungsdokument wurde gefordert, den Fortschritt und die Entwicklung der iranischen Bahá’í-Gemeinde zu „blockieren“ und den Bahá’í Bildung und Lebensunterhalt zu verweigern. Jedes Jahr werden Tausende von Propagandaartikeln gegen die Bahá’í in den iranischen Staatsmedien veröffentlicht.
- Seit der islamischen Revolution wurden Hunderte von Privatgrundstücken der Bahá’í, auf denen sich Eigenheime, Kleinbetriebe und Bauernhöfe befanden, beschlagnahmt.
Englisch-sprachiger Originalbericht der Baha’i International Community