Jugend gestaltet Zukunft mit Allen
FRANKFURT – Heute startete eine bundesweite Gesprächsreihe mit dem Ziel, die Beteiligung junger Menschen an gesellschaftsbildenden Prozessen zu erhöhen und dadurch das konstruktive Potenzial der Jugend in die Stärkung des Gemeinwohls einfließen zu lassen.
Dafür ist es zunächst notwendig, ein Bewusstsein und tieferes Verständnis für das besagte Potenzial zu schaffen; was es braucht, um sich entfalten zu können. Zudem ist es die Absicht der Reihe, gemeinsam mit den Teilnehmern darüber nachzudenken, wie jeder Einzelne mit seinen Eigenschaften, Fähigkeiten und Haltungen ein förderliches Umfeld in diesem Sinne schaffen kann.
Gedacht ist diese Reihe in der Art eines experimentellen Gesprächsformates: experimentell hinsichtlich eines gemeinsamen Lernprozesses, in dem miteinander anstatt übereinander gesprochen wird: Wie können gesellschaftliche Umfelder oder Räume geschaffen werden, die es jungen Menschen ermöglichen, sich am Aufbau und der Entwicklung des Wohls der Allgemeinheit zu beteiligen?
Das Universale Haus der Gerechtigkeit, das internationale Führungsgremium der Bahá’i-Gemeinde mit Sitz in Haifa, Israel, weist in einer Botschaft anlässlich der 2013 von der weltweiten Bahá’í-Gemeinde organisierten Jugendkonferenzen auf eine Besonderheit der jungen Generation hin:
„Jede Generation Jugendlicher zeichnet sich durch bestimmte Eigenschaften aus und ihr Leben wird durch besondere Kräfte geformt … Ungeachtet ihrer sozialen Lage streben junge Menschen nach geistigem und intellektuellem Wachstum und danach, „für die Geschicke der Menschheit einen Beitrag zu leisten.“ Sie haben viele wundervolle Kräfte und diese richtig zu kanalisieren ist ein wichtiges Anliegen, …“
Wie aber könnte es aussehen, diese Kräfte richtig zu kanalisieren? Wenn es um universelle Partizipation von jungen Menschen geht, dann darf dies nicht auf ausgewählte Gruppen oder Eliten der Gesellschaft beschränkt bleiben. Es ist Teil des Wesens des Menschen, sich einzusetzen – für sich und andere. Es kommt also darauf an, einen Rahmen mit Bedingungen zu schaffen, die es allen Beteiligten ermöglichen, gehört zu werden. Letztendlich ist diese Möglichkeit von Beteiligung ein wesentlicher Grundstein für Gerechtigkeit und gesellschaftliche Kohäsion. Letztere wird durch immer schnellere Umbrüche und Veränderungen im Leben vieler Menschen wie auch im gesellschaftlichen Kontext mehr und mehr herausgefordert und zugleich wichtiger.
Miteinander reden. In der Frankfurter Bildungsstätte Anne-Frank begann dies damit, herauszufinden, was es überhaupt ist, das sogenannte ‚Gute Leben‘ und an welchen gesellschaftlichen Zielen die Jugend mitarbeiten will. Was diese Mitarbeit unterstützt und wodurch sie eher erschwert oder gar verhindert wird.
In einer der Kleingruppen, die im sogenannten World-Café-Format miteinander berieten, sollte zunächst geklärt werden, was gemeinhin unter den Begriffen von „Jugend“ und „Jugendlichkeit“ verstanden wird und wie die Teilnehmer dies für sich verstehen. Ava Yavari, Trainerin der Bildungsstätte Anne Frank, dazu: „Beim World Café ‚Potenzial der Jugend‘ stand für uns fest: Es besteht ein falsches Bild von Jugendlichen. Junge Menschen zeichnet nicht nur ein besonderer Enthusiasmus und eine unermüdliche Art, Ziele umzusetzen aus, sondern vor allem ein ausgeprägter Sinn für Gerechtigkeit. Während die ‚Erwachsenenwelt‘ viele Missstände in der Gesellschaft hinnimmt, empören sich Jugendliche und artikulieren dies auch zielgerichtet, wenn auch auf eine andere Art und Weise, wie z.B. über Social Media. … Junge Menschen wollen genauso einen Beitrag zu einer gerechteren Gesellschaft leisten und auch davon profitieren.“
In einer weiteren Arbeitsgruppe spielte die Notwendigkeit von Aufrichtigkeit eine besondere Rolle. Sarah Wohl, Geschäftsführerin des Rates der Religionen in Frankfurt, leitete die Gruppe und berichtet über den Tenor in den Beratungen über die Bedeutung von Aufrichtigkeit: „… sie umfasst für uns nicht nur Ehrlichkeit im direkten Gespräch, sondern auch Integrität in dem Sinne, dass Worte und Taten übereinstimmen sollten, sowie Transparenz über die eigenen Motive, Möglichkeiten und Grenzen.
Wir sprachen mehrfach darüber, dass ohne Aufrichtigkeit kein tiefes Verständnis entstehen kann, sondern Kommunikation oberflächlich bleibt. Aufrichtig zu Unsicherheiten und, vermeintlichen, Schwächen oder Fehlern zu stehen, kann andere ermutigen und Hoffnung schaffen. Vielleicht gilt das gerade in unserer Zeit, in der die Medien uns immer wieder Zerrbilder von Perfektion zeigen. Aufrichtigkeit kann so Menschen und Beziehungen stärken.“
Am Ende des Tages sind bei allen Teilnehmern durch die Erkenntnisse Vorhaben ganz unterschiedlicher Art entstanden: eine erwachsene Teilnehmerin hat sich vorgenommen, ‚ihren‘ Jugendlichen mit mehr Aufrichtigkeit zuzuhören, genau zuzuhören. Eine andere will mehr junge Leute in ihr Seniorenprojekt einbinden und so die Generationen wieder mehr zusammenbringen. Die Jugendlichen wiederum waren durch die Gespräche stark inspiriert, diese in ihrem persönlichen Umfeld weiterzuführen, um die Inhalte in die weiteren Kreise der Gesellschaft zu tragen, zugänglich zu machen, damit mit diesen Inhalten dann weitergearbeitet werden kann. Und idealerweise werden sie von hier aus weiterentwickelt.
Überhaupt kristallisierte sich in der gesamten Runde der dringende Wunsch heraus, die begonnenen Gedankengänge fortzuführen und umzusetzen. Sie dadurch in vielfältigere Netzwerke, kommunale Jugendverbände und entscheidungstragende Institutionen zu transportieren und damit Beteiligungsprozesse zu multiplizieren.
Überdies könnte es auch interessant werden, was man voneinander zwischen den jeweiligen Gesprächsrunden an den unterschiedlichen Veranstaltungsorten lernen kann; insbesondere vor dem Hintergrund andersartiger Alltagsrealitäten, Chancen wie Herausforderungen, im ländlichen wie im städtischen Raum. Denn die Gesprächsreihe geht weiter: die nächsten Treffen finden in Mecklenburg-Vorpommern, Baden-Württemberg, Sachsen und Nordrhein-Westfalen statt. Jugend gestaltet Zukunft. Mit Allen.